Eschweiler/Städteregion Aachen „Das Hochwasser hat unsere Arbeit maßgeblich geprägt“, sind sich Brigitte Hermanns-Spilles und Maria Küpper einige. Die beiden Frauen arbeiten in der Beratungsstelle für Sexualität, Schwangerschaft und Familienplanung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Eschweiler. Ihr Büro an der Grabenstraße befindet sich mitten im Hochwassergebiet. „Zwar waren die Räume unserer Beratungsstelle nicht direkt betroffen, aber ein Großteil unserer Klientel war es“, sagt Brigitte Hermanns-Spilles.
Zwei Tage musste die Beratung – unter anderem aufgrund von Stromausfall – aussetzen. „Dann haben wir den Notbetrieb aufgenommen.“ Internet und Telefon funktionierten zunächst nicht. „Doch auch dafür haben wir Zwischenlösungen gefunden“, erklärt Maria Küpper. Schnell sei deutlich geworden: „Nach dem Hochwasser waren viele unserer Klienten traumatisiert. Wir mussten akute Hilfe leisten“, so Küpper weiter.
„Es ging in vielen Fällen um kontinuierliche Unterstützungsarbeit. Das ging teilweise auch über unseren originären Auftrag hinaus“, stellt Brigitte Hermanns-Spilles fest. Unter anderem vermittelten sie und ihre Kolleginnen Maria Küpper und Birgit Kleber auch an weitere Ansprechpartner. „Bei Flüchtlingsfamilien kam oft das sprachliche Problem hinzu“, sagt Küpper. In 82 Beratungen musste beispielsweise eine Hilfe zur Übersetzung hinzugezogen werden (siehe Infobox).
Schwangerschaft und Kinderwunsch
„Zwar waren die
Räume unserer
Beratungsstelle nicht direkt betroffen, aber ein Großteil unserer Klienten war es.“
Brigitte Hermanns-Spilles
Ein weiteres Problem: die Coronavirus-Pandemie. „Wir haben natürlich versucht, die Beratung in Präsenz anzubieten – wenn es möglich war“, betont Maria Küpper. Auswirkungen habe die Pandemie auch auf andere Bereiche gehabt. „Das Thema frühkindliche Sexualerziehung musste auch in 2021 brach liegen. Ich hoffe, dass wir dieses Thema bald angehen können“, sagt Brigitte Hermanns-Spilles.
Grundsätzlich umfasst das Beratungsangebot verschiedene Themenbereiche. Dazu gehören sowohl die Schwangerschafts-, Familienplanungs-, Kinderwunsch- und Verhütungsberatung genauso wie die Schwangerschaftskonfliktberatung. „Gerne würden sich Frauen für langfristige Verhütungen entscheiden, aber oft scheitert es an den Finanzen“, weiß Maria Küpper. An dieser Stelle komme beispielsweise der Verhütungsmittelfonds der Städteregion Aachen ins Spiel. „Der ist sehr gefragt“, sagt Küpper.
Ein Thema, das Brigitte Hermanns-Spilles und ihre Kolleginnen in ihrer Arbeit besonders beschäftigt, ist der Paragraph 218. In diesem geht es um den Schwangerschaftsabbruch. Vor 150 Jahren wurde der Paragraph ins deutsche Gesetzbuch aufgenommen. „Seitdem hat sich wenig verändert“, sagt die Sozialpädagogin.
Stigmatisierung
„Gerne würden sich Frauen für langfristige Verhütungen entscheiden, aber oft scheitert es an den Finanzen.“
Maria Küpper
Deshalb sei es umso mehr zu begrüßen, dass der Paragraph 219a, in dem es um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche geht, abgeschafft werden soll. „So können sich Frauen über das Thema informieren. Das ist wichtig, schließlich wird ihnen nach wie vor bei diesem Thema ein bestimmtes Gefühl mit auf den Weg gegeben“, erklärt Maria Küpper und ihre Kollegin ergänzt: „Nach wie vor findet bei diesem Thema eine Bevormundung und Stigmatisierung statt.“
Nach wie vor seien Frauen, die darüber nachdenken eine Schwangerschaft abzubrechen, mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert. In den Konfliktberatungen würden hauptsächlich körperliche oder psychische Probleme, die finanzielle Situation sowie eine abgeschlossene Familienplanung als Gründe angegeben. Grundsätzlich erfolge die Beratung ergebnisoffen.
Wichtig sei allerdings: „Frauen machen sich diese Entscheidung nicht leicht.“ Immer wieder komme in Teilen der Gesellschaft die Sorge auf, dass mit der Streichung des Paragrafen auch die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zunehmen werde. „Das war ähnlich als der medikamentöse Abbruch eingeführt wurde. Leider ging es nie darum, dass dieser Weg der sicherere ist. Es wurde nie an das Wohl der Frau gedacht“, sagt Maria Küpper.
Dass die Abschaffung des Paragrafen 219a nun im Koalitionsvertrag verankert sei, sei wichtig. „Es ist ein erster Schritt. Der Anfang ist gemacht“, sind sich Maria Küpper und Brigitte Hermanns-Spilles einig.
Fälle und Beratungen
2021 ist die Zahl der Fälle im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken. Die Zahl der Beratungen hingegen ist deutlich angestiegen. In 599 Fällen wurden 959 Beratungen durchgeführt. Davon fanden 843 persönlich, 100 telefonisch und 16 per E-Mail statt. In 82 Beratungen wurde auf eine Hilfe zur Übersetzung zurückgegriffen. Beraten wurden Klientinnen aus der gesamten Städteregion.
Mit 248 Beratungen für Frauen im Schwangerschaftskonflikt bewegen sich diese auf dem gleichen Niveau wie in den vergangenen Jahren. Zudem fanden 152 Schwangerschaftsberatungen sowie Beratungen zu den Themen Familienplanung, Kinderwunsch und Verhütung (insgesamt 85) statt. Ein Großteil der Frauen, die beraten wurden, besaßen die deutsche Staatsangehörigkeit.
Beratungen im Nordkreis können weiterhin in den Räumen des FrauenKomm Gleis 1 im Eurode Bahnhof in Herzogenrath angeboten werden. Die Terminvergabe erfolgt über die Beratungsstelle in Eschweiler, Tel. 02403/37212.